Die Talaiot-Kultur

Reste eines alten Wachturmes bei Cala Mesquida Wer die Insel Mallorca auf seinen vielen, steinigen Wanderwegen erkundet, dem sind bestimmt schon mal diese kreisrunden Steinbauten aufgefallen, die sich oft am Wegesrand im Gebüsch verstecken. Weniger unscheinbar sind die Reste alter Türme, die in regelmässigen Abständen auf den höchsten Hügeln thronen und die Küste bewachen. Diese bis zu 3.000 Jahre alten Formationen nennen sich „Talaiots“ und gehören zu den charakteristischen Zyklopen-Bauten der Jungsteinzeit. Dazu zählen auch die Reste ganzer Siedlungen, die man verstreut auf der Insel findet, wie beispielsweise „Es Claper des Gegants“ bei Canyamel. So nennt man übrigens alle größeren Siedlungen dieser Bauweise, was soviel bedeutet wie „Steingelände der Riesen“.
Die Talaiot-Kultur wird auch als „Megalithkultur“ bezeichnet, da sie sich durch große Turmbauten in Großsteinbauweise auszeichnet, wie es zwischen der Bronze- und der Eisenzeit üblich war. Der Name „talaiot“ (katalanisch) oder auch „talayot“ (kastilisch) leitet sich vom katalanischen Wort „talaia“ ab und bedeutet „Beobachtungsturm“ oder „Wachturm“. Womit wir auch gleich auf den Sinn und Zweck der Steintürme an den Küsten schließen können.
Heute nennen wir diese Türme gerne „Feuertürme“, da man sich erzählt, daß man mit Hilfe der Leuchtfeuer am Standort dieser Türme rund um die Insel Signale schicken und sich so gegenseitig vor Angriffen von See her, beispielsweise durch Piraten warnen konnte.
Was die kleineren Rundbauten in den Wäldern unterhalb der Türme angeht, so wird oft angenommen, daß darin Holzkohle hergestellt wurde, denn irgendwie musste man die Signalfeuer am Turm ja in Gang halten.
Die Türme sind meist rund, manchmal aber auch quadratisch geformt. Der Innenraum beherbergt mal eine Säule, mal mehrere Stockwerke und rein wissenschaftlich ist ihr Zweck noch nicht zweifelsfrei geklärt. Es wird aber vermutet, daß sie entweder als Verteidigungs- bzw. Beobachtungsturm, als Wohnraum des Stammeshäuptlings oder als Begräbnisstätte genutzt wurden.
 

Infotafel bei Canyamel Das Talayotikum lässt sich in mehrere Kulturabschnitte einteilen, aus deren Zeiträumen unterschiedliche archäologische Funde gemacht wurden:
Die Zeit zwischen 2000 und 1800 v. Chr. bezeichnet man auf Mallorca als „Archaisches Vor-Talayotikum“. In dieser Zeit wohnten die Ur-Mallorquiner noch in den zahlreichen natürlichen Höhlen.
Der Höhepunkt des Vor-Talayotikums fand zwischen 1800 und 1500 v. Chr. Aus dieser Zeit sind Bronzewerkzeuge und Götzensteine erhalten und die Menschen bauten die ersten Hütten.
Runder Megalithbau bei Canyamel Zum Ende des Vor-Talayotikums um 1500 bis 1300 v. Chr. tauchen erste bronzene Pfeilspitzen auf und man beginnt mit dem Bau der ersten megalithischen Wohnstätten.
Der Zeitraum zwischen 1300 und 1000 v. Chr. wird als Talayotikum I bezeichnet und bronzene Schwerter und andere Waffen tauchen auf, sowie einzeln stehende Talayots sowie unterirdische Gräber.
Ummauerte Einfriedungen entstehen im Talayotikum II zwischen 1000 und 800 v. Chr.
Zwischen 800 und 500 v. Chr., im Talayotikum III findet auch auf Mallorca Stieranbetung und Feuerbestattungen statt. An bestehende Bauten werden neue Räume mit rechteckigem Grundriss angebaut.
Im Talayotikum IV schließlich, zwischen 500 und 123 v. Chr. findet auch auf Mallorca soetwas wie eine kulturelle Anpassung statt, da die Balearischen Inseln nun verstärkt von Römern und Karthagern angelaufen wurden. Aus dieser Zeit sind keramische Nachbildungen karthagischer und römischer Formen erhalten sowie erste bauliche Heiligtümer.

Es Claper des Gegants bei Canyamel Wenn man beim Wandern an der Küste oder durch die Pinienwälder mal wieder auf solche Reste megalithischer Bauweise trifft, darf man ruhig kurz mal innehalten, um diese uralten Zeugen menschlichen Unternehmertums zu würdigen. Sie mögen nicht ganz so eindrucksvoll sein, wie die Pyramiden … aber einige Steine, die von Menschen vor Urzeiten aufeinander gestapelt wurden, stehen heute noch unverändert an Ort und Stelle als stille, fast vergessene Zeugen einer im Dunkel der Zeit zu versinken drohenden Geschichte.


Text: Nadja von der Hocht
Fotos: von der Hocht Mediendesigh



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